(Leserbrief – Ergänzung am Ende des Artikels)
So ist das also: Wie qualifiziert man sich in Abdera (sorry, vertippt: Biberach an der Riss) für einen Bürgermeisterposten? – Nun zunächst macht man eine Art Praktikum, als rechte Hand des Oberbürgermeisters. Das war zum Beispiel bei Frau Verena Fürgut schon so: Wir erinnern uns: Zunächst hat Frau Fürgut als Assistentin (Referentin) von OB Zeidler gearbeitet (ab 2013) – dann war sie Amtsleiterin für Schule und Sport (eine ursprünglich zentrale Aufgabe des Oberbürgermeisteramtes in Biberach) ab 2019. Dann kam Corona. 2023 beschloss der Biberacher Gemeinderat die Stelle des Kulturbürgermeisters – seinen Verantwortungsbereich – (vakant ab März 2024 nach Riedlbauer Rückzug) auch aus wirtschaftlichen Gründen (Biberach kurz vor der Pleite 2023: Sparen wir uns den Kulturbürgermeister weg!) zu erweitern: Die Verantwortlichkeit der Kultur wurde um die Bereiche Schule und Sport vergrößert. Praktisch, denn da gab es ja bereits eine bewährte kompetente rechte Hand in der Verwaltung in einem eigenen Amt – die sich – Verwunderung ausgeschlossen – auch um den Posten des Kulturbürgermeisters bewarb (neben 43 (!) anderen). Letztlich wählte der Gemeinderat Frau Fürgut zur Dezernentin. Seit einigen Monaten ist sie nun im Amt. Beeindruckend ist weniger ihre Erfahrung im Kulturbetrieb – also in Sachen Musik, Theater, Kunst – mehr im Bereich Führung und Kommunikation, das beschreibt die Stadt selbst in ihrer Bio. Frau Fürgut hat in Biberach Abitur gemacht (2005) und in Konstanz studiert (Politik und Verwaltungswissenschaften) und in Tübingen (Politik und Friedensforschung). Okay Verwaltung ist ganz offensichtlich im Bereich Kultur wichtiger den je!
Warum hält Gaspard sich so lange bei Frau Fürgut auf? Postenneid? Nein, ganz einfach: Entscheidungen wie sie hier vom Gemeinderat getroffen wurden – nämlich Eigengewächse zu nutzen – Stellen gegebenenfalls vielleicht auch leicht anzupassen (Bildung und Sport jetzt auch Bereiche für den Kulturbürgermeister) scheinen in Biberach zur Normalität zu werden. Denn und nun kommen wir zum eigentlichen Punkt: Seit heute ist klar wer für die Nachfolge von Baubürgermeister Christian Kuhlmann nominiert ist. Es sind noch zwei Kandidaten im Rennen (Ausschnitt aus der öffentlich im Ratssystem zugänglichen Beschlussvorlage zur Gemeinderatssitzung am kommenden Dienstag):
Herr Menth ist im Moment noch Assistent (Referent) von OB Zeidler, also auch eine Art Nachfolger von Verena Fürgut. Insgesamt 17 BewerberInnen gab es für den Posten des Biberacher Baubürgermeisters. Inwieweit ein Theologiestudium einen Bewerber für das Baubürgermeisteramt qualifiziert wird bereits heftig in der städtischen Bevölkerung diskutiert. Redaktionslauscherin fürs gemeine Volk, Amelie Pachulke beschreibt die Gerüchteküche so: „Es müffelt ein wenig – da wird von Geschmäckle geredet. Manche sagen aber auch sie haben vollstes Verständnis, Bauen käme ja von Glauben. Man glaube das wäre toll und würde halten – deshalb sei der konsequente Schritt – Bauen mit Glauben.“
Tatsächlich ist ja auch die Sanierung der St. Martinskirche mittlerweile hübsch abgeschlossen und möglicherweise hätte Herr Menth ja als Mitglied und stellvertretender Vorsitzender der Kirchengemeinde St. Martin hier Erfahrungen sammeln können. Nicht umsonst hat ja der Gemeinderat in der Ausschreibung des Postens des Abderitischen Baubürgermeisters Tür und Tor auch für Quereinsteiger Anfang des Jahres geöffnet. Städtische Planung muss ja nicht unbedingt durch einen bereits durch ein Studium beeinträchtigten Kopf eingeengt werden. Das wiederum hatte die Architektenkammer bereits kritisiert. Schwamm drüber. Im Gemeinderat hat man diese Kritik vielleicht eher als verspäteten Aprilscherz gewertet. Ergänzend sei vielleicht erwähnt, dass Weberberg Mitarbeiter und Gründer Tulse Luper ähnlich qualifiziert wie Simon Menth wäre – als Alternativkandidat durchaus erwähnenswert 😉
Am kommenden Dienstag den 23.07. wird der neue Gemeinderat irgendwann nach 17 Uhr in öffentlicher Sitzung aber geheimer Wahl den neuen Baubürgermeister im Hans Liebherr Saal in der Stadthalle wählen. Spannend. Der Ablauf der Gemeinderatssitzung in der Übersicht im neuen Biko (von heute für 20.07. vorab elektronisch verfügbar aber nicht rechtskräftig) – auf die Wahl wird nicht gesondert eingegangen…
Noch eine Ergänzung – Der Gemeinderat diskutierte im März ausführlich über die Form der Ausschreibung des Postens zum Baubürgermeisters. Kollege Gerd Mägerle (Schwäbische Zeitung) schrieb damals (Zitat):
Während der formale Rahmen in der Sitzung unstrittig war, gab es Diskussionen darüber, welche Qualifikationen in der Ausschreibung von den Bewerbern gefordert werden sollen. „Ich möchte darum werben, dass wir die Stelle möglichst open-minded ausschreiben. Wir brauchen einen Macher, Manager und Controller, der gerne aus dem Bereich Städtebau und Architektur kommen kann, aber das sehe ich nicht als Hauptkriterium“, sagte Oberbürgermeister Norbert Zeidler.
Heute (22.07. Montag) hat uns nun folgender Leserbrief (Autorname der Redaktion bekannt) erreicht:
Baubürgermeister – Zornesröte oder Erbleichen?
Kommen jetzt an alle K-Klötzchen Kreuze oder haben wir mit noch Schlimmerem zu rechnen. Wenn ich mein Haus umbauen möchte brauche ich einen Architekten und einen Statiker. Wenn die Stadt Biberach die Stadt umbauen möchte braucht sie einen Kleriker.
Habe ich da irgendetwas falsch verstanden?
Kann es sein, dass die Stadtverwaltung wie zu Feudalzeiten ihre leitenden Vasallen vorher anfüttert, testet und konditioniert, bevor sie als dankbare und gefügige Angestellte eingebunden werden? Ich fordere den Gemeinderat auf, die Wahl des Baubürgermeisters abzulehnen. Die Gemeindeordnung kennt zwar den Begriff der Fraktion (GemO= §32a), lehnt andererseits sowohl Fraktionszwang als auch imperatives Mandat ab.
Der Gemeinderat kontrolliert den Bürgermeister/die Bürgermeisterin und die Gemeindeverwaltung. Der Gemeinderat muss sich an diese Vorgaben halten. Ich würde mich freuen zu wissen, welchen Berufen die (ursprünglich wohl) 33 Bewerber auf die Stelle des Baubürgermeisters bisher nachgehen.
Soweit der Leserbrief – Nutzt bitte gerne auch die Kommentarfunktion oder das Gästebuch.
Ich schlage als nächsten Bewerber für den Job des Biberacher Finanzbürgermeisters, den Hausfrisör des Oberbürgermeisters vor; hilfsweise seinen Gärtner. Hauptsache man „kennt“ sich. — echt unglaublich, was hier abgeht !
Wenn zwar schon jeder von uns einmal ein Vogelhäuchen gebaut hat und sich qualifiziert fühlt. Auch ich fordere den Gemeinderat auf, die Wahl des Baubürgermeisters abzulehnen!