Liebe Frau Burghardt,
vergangene Woche haben Sie einen Leserbrief in der Schwäbischen Zeitung veröffentlichen lassen. Ihr Thema: „Innenstadtbesucher muss zunächst auf den Marktplatz kommen.“ Als Innenstadt-Native (Ureinwohner sozusagen) möchte nun auch ich meinen Senf dazu abgeben, auch wenn ich schon bei Ihrer Behauptung verzweifelt Oliver Kalkofe um Hilfe rufen möchte. Tenor Ihrer Ausführungen: Verkehrsberuhigung und Innenstadtbegrünung sei weltfremdes Wunschdenken einer (vielleicht sogar bekloppten? – Anmerkung von mir) Minderheit.
Ich stelle erstmal fest: Nein, ein Innenstadtbesucher kann auch ohne Marktplatz sein. Eine Innenstadt besteht nicht NUR aus Marktplatz. Auch andere Mütter haben schöne Töchter: Holzmarkt, (alter) Postplatz (aka Hitlerdingsda), Kesselplatz, Schadenhof und und und. Und viel wichtiger, die RIESIGE Biberacher Fußgängerzone (Marktplatz Ost) in ihren unbeschreiblichen Ausmaßen umfasst mal sehr großzügig geschätzt in jeder Himmelsrichtung gerade mal um die 300 Meter. Aber, Frau Burghardt, mit den Maßen haben sie es offensichtlich nicht so. Denn sie beschreiben einerseits, dass der Stadtpark in „unmittelbarer Nähe“ zur Innenstadt liegen würde und deshalb eine „grüne Innenstadtoase völlig überflüssig“ sei – andererseits muss ein potentieller Einkäufer scheinbar direkt auf dem Marktplatz parken können, sonst kommt er ja da gar nicht hin. Ich erinnere mal ganz vorsichtig an den Mathematikunterricht und erläutere gerne, dass der Abstand zwischen Parkdeck an der Stadthalle und Marktplatzmitte mit etwa 200 bis 300 Meter deutlich geringer ist, als der Abstand zwischen Marktplatzmitte bis zum Wielandpark (400 Meter). Dass sie den Stadtgarten an der Stadthalle als „Stadtpark“ bezeichnen – also das halte ich für unmöglich, so viel Realitätssinn traue ich Ihnen schon zu. Oder etwa doch nicht? Egal. Wie auch immer.
Sie halten mich sicherlich und offensichtlich auch für einen Vertreter einen kleinen aber lauten Gruppe von (ja sagen sie es ruhig!) linksversifften Ökofuzzies die „Platz für alle“ fordern. Nun „Platz für alle“ war eine Aktion vor inzwischen fast zwei Jahren um festzustellen was die Biberacher Bürger wünschen. Das war und ist keine Ökogruppenaktion, Forderung oder – Idee oder Bürgerinitiative. Veranstalter war damals die Stadt Biberach. Richtig ist allerdings, dass auch ich, als echter Anwohner der Innenstadt, mir eine GRÜNE und VERKEHRSBERUHIGTE Innenstadt wünsche.
Aber, schon wahr: Dumm, wenn man mit dem SUV nicht direkt in ein Modegeschäft hineinfahren kann. Ich denke solch ein Konzept würde unsere darbende Wirtschaft in Biberach so richtig in Fahrt bringen. Wer trägt schon Einkäufe gern über hunderte von Metern quer durch die Stadt. Tragen Sie mal acht Hosen, zwanzig Hemden und drei Sakkos vom Marktplatz bis zum Parkdeck. Deshalb fahren viele ja auch nicht nach Stuttgart oder München zum Einkaufen: Kilometerlange Fußmärsche von Parkmöglichkeiten bis zum Edelgeschäft schrecken einfach ab. Das Konzept „Schlussverkauf to go“ mit „SUV to park“ böte hier sicher ganz neue Umsatzmöglichkeiten.
Und letztlich noch was zu Ihren Ängsten bezüglich „Netto“: Sie befürchten wegen des Discounters eine sich etablierende Drogenszene a la Bahnhof, wenn man sich dort bequem niederlassen könnte. Jessas, vielleicht sogar im Schatten? Unter einem Baum, wegen einer zukünftigen Innenstadtbegrünung?
Da rufe ich Ihnen zu: Gut, dass da noch Parkplätze sind! Autos verhindern sogar geparkt den möglichen Drogenkonsum und verbessern damit die Sicherheit in der Innenstadt! Wo Sie Recht haben, haben sie vielleicht Recht, aber als Orakel würde ich Sie nicht beschäftigen.
Ich erinnere Sie auch gern mal an die typische Biberacher Sondersituation Schützenfest: Da gibt es plötzlich Sitzgelegenheiten am Marktplatz zuhauf. Da stören Tribünen nicht, da besteht offenbar auch kein wirklicher Parkbedarf auf dem Marktplatz. Und Tribünen stören im Gegensatz zu mobilen Stühlen (zum Glück jetzt auch abgeschafft!) auch keine Schaufensteransichten. Aber gut, das ist ein völlig anderes Thema, und natürlich ist es nur eine Minderheit – hier eine stille Minderheit – die diese Biberacher Doppelmoral unschön findet: Beim Schützenfest geht alles, davor oder danach fast nix.
Frau Burghardt kämpfen sie weiter für einen autofreundlichen und damit „szenefreien“ Marktplatz und eine erreichbare Innenstadt! (Ironie aus)