(Ein Beitrag von unserem Gastautor A.G.:) Philosoph Jürgen Kraft hat gestern (Donnerstag) im Museum Biberach seinen Film „Werkraum Oberschwaben“ gezeigt, produziert 1996 im Rahmen des erfolgreichen Projektes „Biberach – Filme einer Stadt“. In seinem Film kam auch das Ehepaar Luise und Max Hauschild zu Wort.
In der Biberacher Dachkammer Hauschilds war der in Berlin ausgebombte Häring während und nach dem zweiten Weltkrieg untergekommen. Beide beschreiben im Film wie sie Hugo Häring in Biberach erlebten. Der Videofilm von Jürgen Kraft ist für Biberach bereits ein echtes filmhistorisches Dokument.
Nach seinem Film erläuterte Philosoph Jürgen Kraft in einem Vortrag die Bauphilosophie Hugo Härings.
Kraft hat sich tief in die theoretischen Schriften Härings eingearbeitet. Es ging auch um die Essenz von Härings Theorien des „organhaften Bauens“. Originalzitate aus Härings Schriften waren dabei der Aufhänger. Die Sprache und Formulierungen Härings sind – so Kraft – sehr komplex und nicht gerade leicht zu verstehen. Er erklärte, dass Häring in seinen Schriften nie von Architektur, sondern immer von Baukunst sprach, in deren Mittelpunkt der Mensch zu stehen habe. Die Baukunst müsse sich an den Bedürfnissen des Menschen orientieren, und nicht der Mensch sich den Bauten unterordnen.
Im Anschluss an den Vortrag ergab sich ein erhellendes Gespräch mit den Zuhörern im Museum. Das teils fachkundige Publikum, Baubürgermeister Christian Kuhlmann und Bauamtsleiter Siegfried Kopf-Jasinski lieferten zusätzliche Informationen und räumten mit dem Missverständnis auf, dass Hugo Häring ein Teil des Bauhauses gewesen sei. Jürgen Kraft betonte in diesem Zusammenhang nochmals, dass Hugo Häring mit seiner Theorie des organhaften Bauens eine Gegenströmung zum Bauhaus vertrat und konträr zu den Thesen von Le Corbusier lag. Zudem orientierte sich Häring an konstruktiven Lösungen, welche die Natur vorgibt. Stichwort „Bionik“. Kraft stellte zudem die provokante Theorie in den Raum, dass der berühmte Philosoph Ernst Bloch vielleicht von Hugo Häring beeinflusst war.
Die Kuratorin der Ausstellung, Kunsthistorikerin Judith Bihr, lies zusätzlich fundiert biografisches und zeitgeschichtliches Wissen zu Hugo Häring einfließen.
Alles in allem eine rundum gelungene Veranstaltung, die Appetit auf mehr macht. Das zufriedene Publikum quittierte es mit einem kräftigen Applaus. Der Film „Werkraum Oberschwaben“ und die Ausführungen von Philosoph Jürgen Kraft über die Bauphilosophie Hugo Härings waren eine äußerst lebendige Ergänzung zur umfangreichen Austellung im Biberacher Museum.
Die Schau „Hugo Häring, die Welt ist noch nicht ganz fertig“ läuft noch bis zum 14. April 2024. Zu sehen Dienstag bis Sonntag von 10 bis 18 Uhr, Donnerstags sogar von 10 bis 20 Uhr. Es gibt weitere, zahlreiche Begleitveranstaltungen. Da diese auf der umfangreichen Homepage des Museums etwas untergehen, anbei ein Foto des Ausstellungsflyers:
Ansonsten die Homepage des Museum Biberach: https://www.museum-biberach.de
Im Artikel wurde ursprünglich behauptet Kuhlmann und Kopf-Jasinski hätten dargelegt Hugo Häring sei NICHT ein Vertreter des NEUEN BAUEN gewesen. Das wurde korrigiert. Wir entschuldigen den Fehler.