Heute: 21. Nov, 2024

Tabak Hermann schließt: Schlechte Zeiten für Liebhaber gedruckter Zeitungen in Biberach

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vor 6 Monaten

Von Albert Gratz

„Immer gerne Wieder“ steht groß auf dem Schaufenster von Margret Hermanns Laden in der Biberacher Altstadt. In der Karpfengasse 18 betreibt sie unter dem Firmennamen „Tabak Hermann“ ein Fachgeschäft für Tabak- und Presseerzeugnisse.Manfred Wieder war ihr Lebensgefährte und Vorgänger im Geschäft. Für ihn hat sie einst diesen Werbespruch entworfen. Immer wieder, also allzu oft, kann man nicht mehr bei ihr einkaufen.

Am kommenden Freitag, 31. Mai. 2024 wird Margret Hermann zum letzten Mal ihren Laden für die Kundschaft aufschließen. Dann ist Schluss. Zeitungsliebhaber in Biberach haben dann ein echtes Problem: In der Innenstadt von Biberach existiert ab diesem Zeitpunkt kein ausgesprochenes Pressefachgeschäft mehr. Wer spontan eine andere Tageszeitung in Papierform kaufen möchte als die Schwäbische, der kann in erster Linie nur noch zum sogenannten „Bahnhofskiosk“ gehen. Dieser wird betrieben von der deutschlandweit agierenden Unternehmensgruppe Dr. Eckert mit Sitz in Berlin. Es bleibt zu hoffen, dass Eckert dem Filialstandort am Biberacher Bahnhof die Treue hält.

Die Auflagenzahlen der gedruckten Presseerzeugnisse stimmen jedoch nicht gerade hoffnungsvoll: Der Verband Südwestdeutscher Zeitungsverleger e.V., kurz VSZV genannt, veröffentlicht auf seiner Homepage die jährlichen Auflagenzahlen der im Südwesten Deutschlands erscheinenden Zeitungen. Seit 1999 bis zum Jahr 2017 ist die durchschnittliche Auflage aller Zeitungsverlage, die im VSVZ Mitglied sind, um rund 25% zurückgegangen. Am Beispiel der Schwäbischen Zeitung: 1999 ist diese mit einer Auflage von 198.731 Exemplaren erschienen. 2017 zählte die Auflage der Schwäbischen Zeitung nur noch 163.511 Stück. Ein Rückgang um knapp 18%. Die Badische Zeitung zählte 1999 eine Auflage von 167.867 gedruckte Zeitungen und verlor bis zum Jahre 2017 fast 31.123 Exemplare an Auflage und hatte somit ein Rückgang um beinahe 19% zu verkraften. Dass dadurch auch Zeitungsläden verschwinden ist nicht verwunderlich. Biberach ist da keine Ausnahme. Ein ehemaliger Stuttgarter Kioskbetreiber erzählte, wie sich vor 25 Jahren die Zeitungen an seinem Kiosk am Stuttgarter Ostendplatz zu großen Stapeln auf seiner Verkaufstheke auftürmten. Letztes Jahr, bei seinem Abschied von der Zeitungsbranche, waren die Stapel auf ein lächerlich kleines Format zusammengeschrumpft. Sein ehemaliger Kiosk am Ostendplatz in Stuttgart steht seit nunmehr fast einem Jahr leer.

Dass die Verkaufszahlen von Zeitungen stark zurückgingen, dass kann Margret Hermann in ihrem Biberacher Laden allerdings nicht bestätigen. Die Anzahl der verkauften Presseprodukte sei bei ihr über die letzten sieben Jahre in etwa gleich geblieben, auch Dank ihrer treuen Stammkundschaft. „Die Jüngeren unter den Kunden, die seien dabei allerdings schon etwas weniger geworden“, merkt sie an.

Viel verdient ist mit dem Verkauf der wenigen Druckerzeugnisse nicht. Gerade mal etwas mehr als einen halben Euro an einem Exemplar der Schwäbischen Zeitung. An einer Süddeutschen, die dank umfangreicherer Berichterstattung auch etwas teurer ist, knapp einen Euro. Und der Arbeitstag ist lang. Schon um 7 Uhr am Morgen beginnt ihr Tag mit dem Hereinholen und Auspacken der angelieferten Zeitungen. Diese müssen ordentlich in den Zeitungsständern drapiert werden. Bestellungen und Schriftkram sind zu erledigen. Um 9 Uhr schließt sie dann ihren Laden auf. Bis 18 Uhr am Abend hat Margret Hermann geöffnet. Dann müssen die nicht verkauften Zeitungen gezählt, gebündelt und für den Rücktransport bereit gelegt werden. Allein schafft sie das nicht. Sie hat noch tüchtige Aushilfen, die sie zwischendurch ablösen. Reich wird sie auch nicht von ihrem zusätzlichen geschäftlichen „Standbein“, dem Tabakwarenverkauf. Neben den gängigen Tabak- und Zigarettenmarken verkauft sie auch hochwertige, exklusive Zigarren. Um diese optimal zu lagern hat sie in ihrem Laden extra spezielle Klimaschränke, auch Humidore genannt. Eine Besonderheit ist die von ihrem Vorgänger ins Leben gerufene Eigenmarke „Tabak Wieder“. Dicke Zigarren, in Handarbeit hergestellt in der Dominikanischen Republik. Diese verkauft sie auch in Erinnerung an ihren früh verstorbenen Lebenspartner.

Und dann gibt es noch ein großes, wandfüllendes Regal mit Spirituosen im Laden, mit einer beachtlichen Auswahl an Whiskys.

Lukrativer als Tabakwaren, Presseprodukte und Alkoholika ist der Verkauf von Lotto-Spielscheinen. Leben könnte sie von alldem trotzdem nicht. Margret Hermann ist mittlerweile fast 70 und Rentnerin. Das Zeitungs-, Lotto- und Tabakgeschäft war nur ein Zubrot, und, eine interessante Beschäftigung. Oder besser gesagt: eine Leidenschaft. Ein morgendlicher Gruß und ein Schwätzchen ist beim Einkauf meist inklusive. Denn genau das ist es doch auch, warum die Kunden lieber eine Zeitung im Laden bei Frau Hermann kaufen, als nur im Abonnement die Zeitung aus dem Briefkasten zu ziehen oder gar zeitgemäß digital am Computer zu lesen. Für manche der Älteren unter den Kunden ist der Gang in die Karpfengasse 18 oft einer der wenigen sozialen Kontakte. Und mit Margret Hermann kann man sich im schönsten oberschwäbischen Dialekt unterhalten. Den hört man sonst in Biberach nicht mehr allzu oft.

Das Geschäft wollte sie eigentlich gerne noch eine Zeit lang weiterführen. Ihr gefällt der Kontakt und der Austausch mit ihren Kunden. Der Kundenstamm ist breit gefächert. Er reicht vom etablierten Ur-Biberacher bis zum jungen Asylbewerber. Alle kommen sie bei ihr vorbei. „Jede Schicht, jedes Land ist dabei, alle werden von mir gleich behandelt!“ betont sie. Viele Kunden kennt und spricht sie mit ihren Vornamen an. Die Nachfolge für den Laden wollte sie ihrer Stammkundschaft zuliebe noch regeln. Das geht nun nicht mehr. Ihre Vermieterin hat ihr wegen einer Lappalie den Mietvertrag gekündigt. Es ging um einen Parkplatz, auf den Frau Hermann und ihre Mitarbeiterinnen nicht verzichten können. Was danach mit dem Laden passiert oder was die Vermieterin damit vor hat, ist ihr nicht bekannt. Ein Neuanfang in einer anderen Lokalität ist ihr zu beschwerlich und auch zu kostspielig. So geht sie jetzt definitiv in den Ruhestand. „Zuerst mal zuhause aufräumen! Vielleicht kaufe ich mir auch ein E-Bike“, sagt sie. Vermutlich wird sie auch mehr Zeit mit ihren fünf Enkeln verbringen. „Langweilig wird es mir nicht.“ Etwas wehmütig ist Margret Hermann schon. Und auch von ihren Stammkunden werden sicherlich viele traurig sein.

Der Schriftzug am Schaufenster „Immer gerne Wieder“ ist nun leider bald Geschichte und Biberach um ein originelles Fachgeschäft ärmer.

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