Heute: 21. Nov, 2024

„Ruhe bitte!“- „Strafe ist zu hoch!“ – „Ich werde das anfechten!“ Schlaglichter einer Gerichtsverhandlung in Biberach

Der Angeklagte Markus G. in der Gerichtsverhandlung (Zeichnung: Albert Gratz)
von
vor 6 Tagen

Was denn nun? Im Vorfeld hatte sich der Angeklagte beschwert, dass die Polizei sinngemäß „zu rabiat“ vorgegangen sei beim politischen Aschermittwoch der Grünen in Biberach am 14. Februar an der Stadthalle. Und er hat sogar Anzeige gegen die Polizei erstattet, wegen Körperverletzung. Markus G. hat sich im Vorfeld deutlich als Opfer dargestellt. Er hatte Pfefferspray abbekommen. Richterin Lisa Marie Borst stellt klar: Um seine Anzeige gegen die Polizei geht es hier nicht. – Es raunt im Saal. Das wird noch öfter passieren, im Gerichtsraum (Saal wäre wohl übertrieben, es ist eine Art besseres Klassenzimmer mit knapp 50 Menschen) sitzen viele Sympathisanten des Angeklagten, eine Mischung aus reichsbürgernahen BRD Verweigerern, Querdenkern und Telegramm bzw. Youtube „Journalisten“. Auch Zeitzeuge M. (Marko) sitzt direkt neben einem Weberbergreporter – einer unserer Leser ganz offenbar. Zeitzeuge M. mag die Grünen nicht und hatte im Februar auch über den politischen Aschermittwoch ausführlich live auf Youtube „berichtet“. Heute (15.11.) schreibt er:

Marko – „Zeitzeuge M“ hat zum Prozess seinen Journalistenausweis „vergessen“. Journalistenausweise gibt es beim Journalistenverband DJV und über Verdi für „Menschen die hauptberuflich ihren Lebensunterhalt mit Pressearbeit verdienen.“ Weberberg Mitarbeiter arbeiten übrigens ehrenamtlich – deshalb ohne Presseausweis und „vergessen“ ihn deshalb auch nicht.

Auf den Tag neun Monate nach den Vorfällen an der Biberacher Stadthalle laufen im Gerichtsraum erstmal Beweis-Videos. Lautstarke Sprechchöre und Getröte – die Aufzeichnungen stammen von der Polizei und drei Polizisten treten als Zeugen auf.

Richterin Lisa-Marie Borst während der Verhandlung (Zeichnung: Albert Gratz)

Der Angeklagte stellt letztendlich dar, er sei in die Demonstration leicht unbedarft „hineingeraten“. Der Lehrer an einer Schule in Biberach und Nebenerwerbslandwirt wird ausführlich befragt – zu seinen Lebensverhältnissen und zur Situation am 14. Februar. Irgendwann ist laut Zeugen klar, in der dritten Reihe vor den Polizisten, in einer Art Blockade sei er wohl gestanden. Die Menge der Blockierer verhinderte ein Durchkommen der Fahrzeuge der Politiker zum Bühneneingang der Stadthalle. Die Polizei hatte die nicht angemeldeten Demonstranten mehrfach aufgefordert die Durchfahrt und den Platz freizugeben. Stattdessen drückten die Menge und Markus G. gegen die Polizisten. So richtig bestätigen wollte das Markus G. nicht, auch nicht, dass er die Aufforderungen der Polizei zur Räumung gehört habe. Tatsächlich stellt sich heraus, dass die Polizei scheinbar kein Megafon zur Verfügung oder eingesetzt hatte. Dennoch scheint klar, alle in der Menge mussten irgendwann verstanden haben, dass sie zurückweichen sollten: Die Polizisten hatten ihre Schlagstöcke zur Drohung erhoben, das war auch in den hinteren Demonstrantenreihen unzweifelhaft sichtbar. Eingesetzt wurden die Schlagstöcke nicht, ein Beamter löste allerdings Pfefferspray aus und es gab ein Handgemenge.

Staatsanwältin Laura Vollmer (Ravensburg) und die Protollführerin (Zeichnung: Albert Gratz)

Die Staatsanwältin hält Markus G. für schuldig, die Polizei behindert zu haben: „Er hat gedrückt“. D.h. er hat auch gegen die Polizisten gedrückt. Und: es muss keine aktive Handlung vorliegen. Es reicht aus, dass der Angeklagte nicht weggegangen ist. Er hätte die Zeit und die Möglichkeit hierzu gehabt. Zitat der Richterin: „Er wusste, dass die Polizei da ist, dass diese durch wollte. Es ist klar, die wollten da durch.“ Die Polizei hat zuvor Platzverweise erteilt. Diese Platzverweise waren rechtmäßig.

Zumindest gibt Markus G. zu, dass er bei den Protesten anwesend war. Der Vater von zwei kleinen Kindern ist nicht vorbestraft und erklärt, er werde sich in Zukunft an solchen Aktionen nicht mehr beteiligen. Das wiederum sieht Richterin Borst durchaus als strafmildernd und legt als Strafe 80 x 50 Euro Tagessatz fest. Das entspricht aber auch der Forderung der Staatsanwaltschaft.

Nach der Verhandlung ist klar: Markus G. will gegen das Urteil Einspruch erheben. Ein Einspruch wird dann vor dem Landgericht Ravensburg verhandelt, ggf. eine Revision vor dem Oberlandesgericht. Für die anwesenden Unterstützer, viele davon auch „Gelbwesten“ die auf der Brücke an der B30 vor einigen Monaten protestierten, ist Markus G. offenbar jetzt schon ein Held. Und das wiederum scheint diesem sehr wohl bewusst, gegenüber SWR und dem Fotografen Andy Reiner erklärt er, dass er gerne sein Gesicht zeigt, das soll nicht verpixelt werden. Auch seinen vollen Namen will er gerne in der Zeitung sehen. Ein lesenswerter Artikel in der Schwäbischen Zeitung mit weiteren Einzelheiten hier.

Für Weberberg vor Ort waren Albert Gratz (Zeichnungen) und Egon Capa. Text: Gaspard. Der nächste Prozess im Zusammenhang mit dem politischen Aschermittwoch im Amtsgericht Biberach ist auf den 19.11. angesetzt.

8 Comments

  1. Dieser Kommentar des H. Gratz finde ich sehr befremdlich
    Waren bei dieser Verhandlung auch „normale“ Menschen anwesend oder nur „Reichsbürger, Sympathsten, Querdenker usw“?
    Dann noch die Namen der Beteiligten durcheinander zu bringen zeugt auch von keiner Professionalität.
    Wenigstens hat er nette Bildchen gemalt,
    aber ein objektiver, neutraler Bericht wäre mir lieber gewesen.

    • Lieber Biber.- Was ist an dem Wort „viele“ nicht zu verstehen? Heißt „viele“ = „alle“? Den Artikel hat NICHT Albert Gratz geschrieben, sondern Gaspard, steht auch ganz deutlich drunter. Welche Namen sind denn durcheinandergeraten, – wird gerne korrigiert. Was heißt hier objektiv und neutral? So wie Marko (Zeitzeuge M.)? Letztlich ist der Kommentar das Excerpt von drei unabhängig voneinander berichtenden Quellen – Natürlich waren da auch „normale“ Menschen, du zum Beispiel. Und natürlich kannst und darfst du deine ebenfalls subjektive Wahrnehmung hier schildern. Objektiv ist immer subjektiv – letztlich gibt es keinen absoluten Blickwinkel.

  2. @ Josef
    hier nach dem Radikalenerlass zu schreien zeugt nicht von Demokratieverständnis.
    Noch haben wir die Meinungsfreiheit.
    Wir hatten schon die Zeit als Andersdenkende mit Berufsverbot und schlimmerem verfolgt wurden.
    Ich halte einen körperlichen Widerstand gegen Polizeibeamte nicht für das passende Mittel, aber deswegen Radikalenerlass?

    Hoffentlich darf dieser Mann bis zu seiner Pensionierung weiterarbeiten.

  3. Welche Namen sind denn durcheinandergeraten, – wird gerne korrigiert
    Im Original: Die Staatsanwältin hält Markus M. für schuldig…….

    Zumindest gibt Markus M. zu…..

    So der Originaltext. Liegt in Textform vor.
    Müsste wohl Markus G. heissen, dass gaspard so ein Fehler unterläuft…….
    ok, mein Fehler war, den Beitrag nicht gaspard zuzuordnen, sorry

Schreibe einen Kommentar