Sehr geehrter Herr Kords, sehr geehrter Herr Schumacher,
mit großer Besorgnis haben wir die Berichte in Presse und Rundfunk über die politische
Neuausrichtung Ihrer Zeitung im Zuge einer unternehmenspolitischen Antwort auf die Krise des
Zeitungswesens – und insbesondere der Regionalzeitungen – zur Kenntnis genommen. Es ist der
Eindruck entstanden, dass die Zeitung sich rechtskonservativen Strömungen geöffnet hat, dass sie
ihnen publizistisch Gehör und damit politischen Einfluss verschaffen will.
Was ehemalige Mitglieder der Redaktion und Fachleute der Branche offen aussprechen, haben auch
wir als Leser und Leserinnen empfunden: die Abgrenzung zu demokratiefeindlichem Gedankengut
sollte offensichtlich aufgeweicht werden. Wir appellieren an Ihre Verantwortung als wichtiges
Medium der öffentlichen Meinung für die Zukunft unserer Demokratie. Rechtsextremem
Gedankengut gilt es entgegenzutreten. Die Demokratie als freiheitliche Staats- und
Gesellschaftsordnung lebt von der öffentlichen Auseinandersetzung, aber sie darf diese Freiheit
nicht ihren Feinden ausliefern. Der Streit darf nicht zur Spaltung der Gesellschaft führen. Der Weg
zur Integration und zu einvernehmlicher Entscheidung, muss als Ziel immer offen bleiben.
Für uns als politisch interessierte Bürgerinnen und Bürger ist eine Regionalzeitung unentbehrlich
für die eigene Urteilsbildung und für die tagespolitische Information und Orientierung. Das gilt für
alle Ebenen der Politik. Insbesondere aber kann nur eine qualitativ hochstehende Regionalzeitung
über die lokalen Ereignisse und regionalen Angelegenheiten sachorientiert berichten und
unabhängig kommentieren. Darauf sind wir angewiesen.
Sie, Herr Kords wehren sich gegen den Vorwurf, Ihre Zeitung sei nach rechts gerückt. Sie beteuern
in Ihrem Artikel vom 3. Oktober, dass die Schwäbische Zeitung „eine Plattform für alle legitimen
Standpunkte, Meinungen und Überzeugungen“ bieten will, „die sich unter dem Dach des
Grundgesetzes und des christlichen Menschenbildes versammeln lassen“. Wir nehmen Sie beim
Wort und fordern Sie auf, alle diese Meinungen zu Wort kommen zu lassen, sie jedoch – und
insbesondere kontroverse und extremistische Meinungen – kritisch einzuordnen und gegebenenfalls
durch einen distanzierenden Meinungsbeitrag zur Urteilsbildung der Lesenden beizutragen.
Um ein Beispiel zu nennen: ein Interview mit einem umstrittenen Politiker wie Hans-Georg
Maaßen kann nur dann zu unserer Urteilsbildung als Leser und Leserinnen beitragen, wenn seine
Thesen durch Nachfragen geprüft und durch Kommentierung eingeordnet werden. Wir fordern Sie
auf, diese journalistischen Grundsätze konsequent zu beachten. Ein anderes Beispiel: Wenn ihre
Zeitung sich auf ihre christliche Orientierung beruft, könnten und sollten AfD-Verantwortliche die
die Programmatik ihrer Partei als christlich ausgeben, mit dem falschen Verständnis der christlichen
Botschaft konfrontiert werden, das damit impliziert ist.
Wir haben den Eindruck gewonnen, dass die heftige öffentliche Kritik an der Ausrichtung Ihrer
Zeitung bereits Wirkung gezeigt hat. Wir fordern Sie auf, diesen Weg konsequent weiter zu gehen.
Nur so werden Sie verloren gegangenes Vertrauen wieder herstellen können. Sorgen Sie dafür, dass
die Lokalredaktionen personell ausreichend ausgestattet sind, um ihre wichtige Aufgabe zu erfüllen.
Seien Sie versichert, die Schwäbische Zeitung ist uns nicht egal.
Wir werden uns um die weitere Verbreitung dieses offenen Briefes bemühen.
Mit freundlichen Grüßen
gez.
Prof. a. D. Dr. Rainer Albertz
Rudolf Bindig
Peter Didszun
Werner Langenbacher