Michael Baumeister oder wohl eher Freiherr Michael von Lüttwitz ist Rentner, Buchautor („Geflügelhaltung als Hobby“ Falken Verlag) und „ehrenamtlicher Journalist“. Unter Pressefreiheit versteht er ganz offensichtlich auch, dass man sich an gewisse Regeln nicht halten muss. Zum Beispiel – so ist es mittlerweile in gewissen Kreisen vermeintliches Allgemeinwissen – müsse sich ein Journalist nicht den Anweisungen von Polizisten fügen und man habe als „Presse“ (ja als „vierte Macht im Staate“) scheinbar so eine Art Narrenfreiheit. Hat man leider (oder vielleicht auch „Gott sei Dank“ – ) nicht.
Lüttwitz ist heute vor dem Amtsgericht verurteilt worden, wegen Nötigung. Zusammen mit rund 80 anderen blockierte er die Zu- bzw. Abfahrt von Fahrzeugen am Hintereingang der Stadthalle am politischen Aschermittwoch der Grünen am 14. Februar.
Das wertete Richterin Borst als Nötigung. Lüttwitz selbst sah sowohl seine Blockade als auch seine im Video sichtbaren Protestrufe gegenüber der Polizei (im Lärm aber nicht verständlich oder differenzierbar) im Sinne des „Presserechtes“ für gerechtfertigt. Er habe „ehrenamtlich“ Fotos gemacht. Ein Video zum Verständnis seiner Auftraggeber und seines Selbstverständnisses (Quelle – im Video sichtbar hinterlegt / stattzeitung.org):
Tja wie ist das mit der Presse? Und dem Presserecht?
Es gibt eigentlich nur einen ganz offiziellen Presseausweis und den bekommt man nicht so einfach. Zunächst: Der Presseausweis ist ein Dokument das ursprünglich auf eine Vereinbarung des deutschen Verlegerverbandes, des deutschen Journalistenverbandes (Gewerkschaft), mittlerweile auch von Verdi und dem Bundesinnenministerium zurückgeht und mit gewissen Auflagen verbunden ist: So ist definiert, dass bei der Pressearbeit den Anweisungen der Sicherheitskräfte unbedingt Folge zu leisten ist, Ämter und Beamte Auskunft und Hilfestellung leisten sollen (NICHT GEZWUNGEN oder VERPFLICHTET sind) und der Missbrauch des Ausweises und gewährter Privilegien zum Entzug des Presseausweises führt. Voraussetzung zum Erwerb eines Presseausweises ist, dass man überwiegend mit journalistischer Arbeit seinen Lebensunterhalt verdient.
Der Presseausweis muss jährlich erneuert werden und kostet – sofern die Voraussetzungen erfüllt sind – zwischen 80 und 300 Euro, auch abhängig davon ob man Gewerkschaftsmitglied, freier Journalist oder in einem Verlag arbeitet oder ist.
Soweit zum Hintergrund. Daraus folgt schon, dass Medien wie auch hier weberberg.de zwar durchaus Pressearbeit machen, aber im Sinne des Presserechtes eher als eine Art Presse zweiter Klasse zu werten sind. Was im Übrigen aber nichts heißen will, denn auch der Presseausweis und das ist das Entscheidende gibt dem Besitzer keine zusätzlichen Rechte, er bestätigt lediglich, dass die Person im Sinne eines öffentlichen Auftrages unterwegs sein kann (nicht muss!). Nur weil jemand von der „Presse“ ist hat er keinerlei Sonderrechte, es können ihm (nicht müssen!) freiwillig von Ämtern oder Beamten zusätzliche Freiheiten gewährt werden. Diese (zum Beispiel als weberberg.de Mitarbeiter) anzufordern ist möglich, ist aber unter Umständen schwieriger, weil man jedes Mal belegen muss oder soll, dass man tatsächlich was schreiben, aufnehmen oder veröffentlichen möchte.
Text: Gaspard / Zeichnungen Albert Gratz
Wie jetzt? Michael Baumeister oder Michael Freiherr von Lüttwitz? Hühnerpapst wäre zutreffender.
Danke für deine Berichte aus dem Gerichtssaal, lieber Gaspard. Ich amüsiere mich köstlich.
Laut unbestätigten Berichten unserer Beobachter hat sich der Freiherr seinen Adelstitel (in welcher Form auch immer) erworben und auch deshalb das erwähnte Buch zur Aufzucht und Hege des Geflügeltieres noch unter seinem ursprünglichen Namen veröffentlicht. Gegenüber einer Zeitung hatte er beiläufig auch erwähnt, dass er gerne mit den Adelstitel angesprochen wird, der sich auf einen entfernten Verwandten bezieht der lediglich am Kapp Lüttwitz Putsch gegen die junge Weimarer Republik beteiligt war, den er offenbar auf diese Art und Weise möglicherweise verehrt. Im Interview sagte er, sinngemäß, „der (entfernt Verwandte, Anm. Gaspard) war aufmüpfig, ich bin es ebenso auf andere Weise…“ (Screenshot des Interviews liegt uns vor)
Interessant, dass Freiherr von Lüttwitz so darauf bestand zur Presse zu gehören, stand er doch selber vor der Stadthalle als „Presse“ scheinbar einvernehmlich zwischen den „Lügenpresse“ Rufenden. Was denn nun ;-)) ? Im Gerichtsaal saßen bei jeder Verhandlung störende „UnterstützerInnen“. Auch eine von ihren samstäglichen Auftritten im Schadenhof stattbekannte Laupheimer Mutter fühlte sich vor und während der Verhandlungen dazu berufen, sich über die Unverhältnismäßigkeiten der Justiz zu beklagen und laufend rumzunölen. Auch eine Ehinger Eselstreiberin konnte sich wenig beherrschen und sah sich genötigt, sich so aufzuführen, wie man ihren Hütetieren nachsagt. Die Verhandlungen wurden durch halblautes Getuschel und auch durch Zwischenrufe gestört. „Das Volk“ im Gerichtsaal schien eine ganz starke Bindung zum Grundgesetz zu haben, jedoch mit eigener Interpretation: Versammlungsrecht, Presse- und Meinungsfreiheit scheinen für sie zu bedeuten, dass jeder machen darf was er will, auch bei einer Demo. Es ist schade, dass es sich nicht die Mühe zu machen scheint, das Grundgesetz wirklich zu lesen. Die Meinungsfreiheit wird in den entsprechenden Telegramkanälen aber nicht zugelassen, hier wird man schon bei leichter Kritik gesperrt.
Nachtrag:
Es gibt lt. Auskunft beim DJV (Deutscher Journalistenverband) zwischenzeitlich 8 Institutionen, über die ein Presseausweis ausgestellt werden darf: DJV (Deutscher Journalistenverband), Gewerkschaft VERDI, VSZV (Verband Südwestdeutscher Zeitungsverleger, BDZV (Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger e. V.), VDZ (Verband Deutscher Zeitschriftenverleger), Motorjournalistenverband, Sportjournalistenverband und der Fotografenverband Freelens.