Absicht oder Panne? Der Druckfehlerteufel bei PDF Erzeugung. Es ist schon eigen: Ganz kurz vor knapp wird in Biberach Kommunal (Offizielles Amtsblatt der Stadt Biberach) am 20. März (Mittwoch) eine Allgemeinverfügung zum Veranstaltungstag Freitag, 22. März veröffentlicht. Nur in der gedruckten Ausgabe. Ausgeliefert wird dieses Amtsblatt meist erst am Donnerstag in vielen Bereichen des Stadtgebietes. In der Online Version von Biberach Kommunal fehlen die entsprechenden Seiten in der PDF. Das ist aber natürlich möglich, denn wie schreibt die Stadtverwaltung auf der Downloadseite:
Die Bereitstellung der elektronischen Fassung des Mitteilungsblattes im Internet erfolgt freiwillig und zusätzlich zur Printversion. Es wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die elektronische Fassung keine rechtswirksame Publikation darstellt. Die veröffentlichte digitale Version ist auch nicht barrierefrei.
Eine weitere Veröffentlichung der Allgemeinverfügung ist uns nicht bekannt: Kein Aushang, kein gesonderter Artikel in der SchwäZ oder sonstiger Hinweis. Wer die Printausgabe nicht hat schaut in die Röhre. Warum bei der Erstellung einer PDF ausgerechnet zwei wichtige Seiten (20 und 21) ausgelassen wurden… Man weiß es nicht. Auch nicht ob der Gemeinderat bzw. die Räte die sich am Donnerstag den 21.März zur Sitzung trafen bereits von der Verfügung wussten – unklar. Thema war sie im Rahmen der öffentlichen Sitzung nicht. Möglicherweise informierte Zeidler im nichtöffentlichen Sitzungsteil – immerhin etwa eine Stunde vor Inkrafttreten.
Um alle Unklarheiten zu beseitigen und für alle Nicht-Print Leser hier die Allgemeinverfügung – abgetippt und mit Links zur Rechtsprechung erweitert:
Allgemeinverfügung zur Anordnung von Beschränkungen für die im Stadtgebiet Biberach nicht oder nicht rechtzeitig angezeigten Versammlungen unter freiem Himmel vom 21. März 2024 ab 20:00 Uhr bis 22. März 2024 um 23:00 Uhr
Zur Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit und
Ordnung einer politischen Veranstaltung mit Minister-
präsident Kretschmann und seinem Stellvertreter Innen-
minister Strobl in der Gigelberghalle in Biberach ergeht
gem. § 15 Abs. 1 Versammlungsgesetz (VersgG) i.V.m.
§ 35 S. 2 Landesverwaltungsverfahrensgesetz (LVwVfG)
Folgende Allgemeinverfügung
- Alle nicht oder nicht rechtzeitig angezeigten Ver-
sammlungen, die einen landwirtschaftlichen Bezug
oder Hintergrund erkennen lassen können, werden
in dem im anliegenden Lageplan blau markierten
Geltungsbereich im Zeitraum vom 21. März 2024 ab
20:00 Uhr bis 22. März 2024 um 23:00 Uhr wie folgt
beschränkt:
a) Die Not- und Rettungswege sind zu jeder Zeit frei-
zuhalten und ggf. auf Anweisung der Polizeibeam-
ten frei zu räumen.
b) Das Mitführen von angehängten oder angebau-
ten Fahrzeugteilen (z. B. abnehmbarer Frontlader)
an landwirtschaftlichen Zugfahrzeugen ist bei
der Teilnahme an den Versammlungen untersagt.
Die Teilnahme an den Versammlungen mit selbst-
fahrenden Arbeitsmaschinen (z. B. Mähdrescher,
Häcksler) ist nicht erlaubt.
c) Das Ablagern, Auskíppen oder Ausgießen von Dün-
ge-, Futter- oder Streumitteln sowie Tierexkremen-
ten oder ähnlichen die Infrastruktur verschmutzen-
den Stoffen oder Gegenständen ist untersagt.
d) Bei der Durchführung von Einzelfahrten und Korsos
von landwirtschaftlichen Zugmaschinen und/oder
Lastwägen ist auf allen öffentlichen Straßen und
Wegen eine Mindestgeschwindigkeit von 15 km/h
einzuhalten, soweit keine verkehrsrechtlichen An-
ordnungen und Regelungen entgegenstehen. An-
lassloses Stehenbleíben im öffentlichen Verkehrs-
raum ist untersagt, soweit für diese Bereiche keine
Versammlung rechtzeitig angezeigt wurde.
e) Das Transportieren von Personen auf der Ladeflä-
che ist verboten.
f) Bei einer größeren Teilnehmerzahl sind Fahrzeug-
Blöcke zu 10 bis maximal 15 Fahrzeugen zu bilden,
zwischen denen Abstand zu halten ist, um dem
übrigen Verkehr ein Ein- oder Ausfahren an den
Anschlussstellen und/oder Parkplätzen zu ermög-
lichen.
g) Mitgeführte Transparente und andere Gegenstän-
de (z. B. Fahnen) müssen sicher an den Fahrzeugen
angebracht werden, damit sie sich nicht lösen kön-
nen und andere Verkehrsteilnehmer gefährden. Die
Sicht oder das Fahrverhalten des Fahrzeugführers
darf nicht durch angebrachte Kundgebungsmittel
beeinträchtig werden.
Es wird die sofortige Vollziehung der Regelungen der
Ziffer 1 gem. § 80 Abs. 2 Nr. 4 Verwaltungsgerichts-
ordnung (VwGO) angeordnet.
(Hinweis: Keine aufschiebende Wirkung eines
Einspruches gegen diesen Erlass wegen
öffentlichen Interesses)
Diese Allgemeinverfügung gilt am Tage nach der öf-
fentlichen Bekanntmachung als bekanntgegeben.
Begründung
I.
Seit dem 8. Januar 2024 kommt es bundesweit zu Pro-
testen, Demonstrationen und Blockaden. Diese Proteste
richten sich insbesondere gegen die teilweise Abschaf-
fung der Steuervergünstigung für landwirtschaftlichen
Dieselkraftstoff. Zunehmend haben sich in den letzten
Wochen auch Personen mit anderen als landwirtschaft-
lichen Anliegen an den Aktionen beteiligt. Der Umfang
und Ablauf dieser ist damit zunehmend unkalkulierbarer
geworden.
Insbesondere am Aschermittwoch, dem 14. Februar
2024, kam es im Bereich der Stadthalle Biberach zu Aus-
schreitungen. An diesem Tag sollte dort der Politische
Aschermittwoch der Partei Bündnis 90/Die Grünen
stattfinden. Letztlich wurde jedoch die öffentliche Si-
cherheit und Ordnung massiv beeinträchtigt, insbe-
sondere durch das Abhalten einer nicht angemeldeten
Versammlung, Blockaden von Zufahrtsstraßen zum
Veranstaltungsort, Abbrennen von Altreifen und Stroh
sowie Sachbeschädigungen, Körperverletzungen und
persönliche Anfeindungen. Aufgrund dieser aggressi-
ven Proteste unmittelbar im Eingangsbereich der Stadt-
halle entschlossen sich die Veranstalter des politischen
Aschermittwochs, diesen aus Sicherheitsgründen kurz-
fristig abzusagen.
Am 22. März 2024 werden Ministerpräsident Kretsch-
mann und sein Stellvertreter Innenminister Strobl zu
Gast in der Gigelberghalle in Biberach sein und hier an
einer Podiumsdiskussion zum Thema politische Streit-
kultur und ihre Grenzen teilnehmen. Angesichts der auf-
geheizten politischen Stimmung muss an diesem Tag
mit Störungen der öffentlichen Sicherheit gerechnet
werden.
ll.
Zuständige Behörde für die Durchführung des Ver-
sammlungsgesetzes ist gemäß §§ 1, 2 der Verordnung
des Innenministeriums über Zuständigkeiten nach dem
Versammlungsgesetz (VersGZuV) i. V. m. §§ 105 Abs. 1,
106 Abs. 1 Nr. 4, 107 Abs. 4, 111 Abs. 2 Polizeigesetz BW
(PolG) i.V.m. § 15 Abs. 1 Nr. 1 Landesverwaltungsgesetz
(LVG) die Stadt Biberach.
Nach § 15 Abs. 1 VersG ( https://dejure.org/gesetze/VersG/15.html )
kann die zuständige Behörde die Versammlung
von bestimmten Auflagen abhängig machen,
wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung
erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder
Ordnung bei Durchführung der Versammlung oder des
Aufzuges unmittelbar gefährdet ist.
Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass am 22. März
2024, anlässlich des Besuchs des Ministerpräsidenten
sowie dessen Stellvertreter, im Geltungsbereich dieser
Allgemeinverfügung Demonstrationen und Protestak-
tionen geplant sind, die nicht oder nicht rechtzeitig ange-
zeigt werden. Grund hierfür sind, neben den vielzähligen
Aktionen im Zusammenhang mit der Subventionierung
von Agrardiesel in den letzten Wochen und Monaten, die
oben ausgeführten Vorkommnisse am Aschermittwoch
sowie einschlägige Erkenntnisse in den sozialen Medien.
Im Einzelnen lassen sich die o. g. Beschränkungen im
Geltungsbereich der Allgemeinverfügung (vgl. Lageplan)
wie folgt begründen:
Ziffer 1 a)
Aufgrund der Erkenntnisse aus den vergangenen Ver-
sammlungen der Landwirte ist zu erwarten, dass sich
diese mit Traktoren in einer ggf. sehr großen Anzahl
versammeln werden und dabei Not- und Rettungswege
nicht freigehalten werden. Dies gilt es zu vermeiden.
Ziffer 1 b)
Das Mitführen von angehängten oder angebauten Fahr-
zeugteilen an den landwirtschaftlichen Zugfahrzeugen,
wie beispielsweise abnehmbare Frontlader mit Schaufel
oder Gabel sowie Anhänger, erweitern die Größe des
Fahrzeuges, erschweren somit eine rücksichtsvolle und
umsichtige Teilnahme am Straßenverkehr im Sinne des
§ 1 StVO und werden aus diesem Grund nicht erlaubt.
Ziffer 1 c)
Da ein Ablagern, Auskippen oder Ausgießen von Dünge-,
Futter- oder Streumitteln, Tierexkrementen oder Ähn-
lichem eine Beeinträchtigung des Straßenverkehrs dar-
stellen könnte, ist dies untersagt.
Ziffer 1 d)
Zur Gewährleistung der Sicherheit und Leichtigkeit des
Verkehrs und insbesondere zur Vermeidung von Rück-
stauungen ist es nicht erlaubt, dass landwirtschaftliche
Zugmaschinen oder Lastwägen ohne rechtfertigenden
Grund langsamer fahren als 15 km/h.
Ziffer 1 e)
Diese Vorschrift dient dem Schutz von Leben und Ge-
sundheit der Versammlungsteilnehmer.
Ziffer 1 f)
Diese Anordnung beabsichtigt einen möglichst stö-
rungsfreien Verkehrsfluss ohne Blockaden für die Ver-
kehrsteilnehmenden.
Ziffer 1 g)
Diese Beschränkung zielt auf einen gefahrlosen Verlauf
einer Versammlung ab.
Die Anordnung der Beschränkungen erfolgt in Ausübung
pflichtgemäßen Ermessens gem. § 40 LVwVfG (https://dejure.org/gesetze/LVwVfG/40.html) . Die an-
geordneten Beschränkungen entsprechen – unter Ab-
wägung der Interessen der Demonstranten gegenüber
dem Recht der Allgemeinheit auf Aufrechterhaltung der
Öffentlichen Sicherheit und Ordnung – dem Grundsatz
der Verhältnismäßigkeit. Zudem ist die vorliegende All-
gemeinverfügung ein geeignetes, erforderliches und
angemessenes Mittel, um einem unkontrollierten, nicht
angezeigten und sicherheitsrechtlich nicht vertretbaren
Versammlungsgeschehen vorzubeugen, zumal die durch
diese Verfügung ergehenden zusätzlichen Beschränkun-
gen gegenüber den bereits kraft Gesetzes bestehenden
Regelungen, insbesondere mit Blick auf die Sicherheit
und Leichtigkeit des Verkehrs, nur geringfügig sind.
Mildere Mittel, welche gleich effektiv wären,
sind nicht ersichtlich.
Mit der Beschränkung werden die betreffenden Ver-
sammlungen nicht unter einen generellen Erlaubnisvor-
behalt gestellt. Vielmehr ist ausdrücklich zu betonen,
dass es mit der vorliegenden Allgemeinverfügung nicht
darum geht, gemeinschaftlichen öffentlich geäußerten
Protest zu verhindern. Es sollen lediglich die rechtsmiss-
bräuchliche und bewusste Nichtanmeldung der geplan-
ten Versammlungen und damit einhergehende Gefah-
renmomente verhindert werden.
Ziffer2
Die Anordnung der sofortigen Vollziehung beruht auf
§ 80 Abs. 2 Nr. 4 i.V.m. § 80 Abs. 3 VwGO. Danach kann
die Behörde die sofortige Vollziehung anordnen, wenn
ein öffentliches Interesse an der baldigen Realisierung
des Verwaltungsaktes besteht und dieses das Interesse
des Pflichtigen an der aufschiebenden Wirkung seines
Rechtsbehelfs übersteigt. Das besondere öffentliche
Interesse an der sofortigen Vollziehung ist gegeben, da
ohne die Auflagen Gefahren für die öffentliche Sicher-
heit und Ordnung sowie die Gesundheit drohen und
das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit in seinem
Wesensgehalt dadurch nicht beschränkt wird.
Das öffentliche lnteresse an der sofortigen Vollziehung der
Auflagenverfügung ist aufgrund des kurzen zeitlichen
Abstands zum geplanten Versammlungstermin auch
gewichtiger als das mögliche Interesse an der Wieder-
herstellung der aufschiebenden Wirkung eines Wider-
spruchs.
Rechtsbehelfsbelehrung
Gegen diese Allgemeinverfügung kann innerhalb eines
Monats nach Bekanntgabe Widerspruch bei der Stadt-
verwaltung Biberach, Marktplatz 7/1, 88400 Biberach
werden.
Das Verwaltungsgericht Sigmaringen kann gemäß § 80
Abs. 5 VwGO auf Antrag die aufschiebende Wirkung von
Widerspruch und Anfechtungsklage ganz oder teilweise
wiederherstellen.
Der Antrag ist schon vor Erhebung der
Anfechtungsklage zulässig.
Biberach an der Riß, 19. März 2024
Norbert Zeidler
Oberbürgermeister
Tag der Veröffentlichung: 20. März 2024
Originalscans der Verfügung: